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Parkinson – unheilbar, aber beeinflussbar

Das Parkinson-Syndrom (Morbus Parkinson), von dem in Deutschland nach Schätzungen bis zu 200.000 Menschen betroffen sind, zählt zu den chronisch fortschreitenden, unheilbaren Erkrankungen. Hierbei sterben im Gehirn die Nervenfasern in der Substantia nigra (schwarze Substanz) allmählig ab, weshalb die Bildung des für die Kontrolle und Steuerung der Bewegung verantwortlichen Botenstoffes Dopamin nicht mehr gewährleistet ist. Das Ergebnis sind die für die Krankheit typischen Symptome wie Zittern (Tremor), Verlangsamung der Bewegungen (Akinese) sowie die leicht nach vorn gebeugte Haltung aufgrund der andauernden unwillkürlichen Muskelspannung. Bei der überwiegenden Zahl der an Parkinson Erkrankten zeigen sich die ersten Symptome zwischen dem 50. und dem 65. Lebensjahr, wobei Frauen und Männer gleichermaßen betroffen sind. 

Als 1963 das Medikament L-Dopa (auch als Levodopa bezeichnet) entwickelt wurde, schien das wie ein Segen für Parkinsonkranke. Schon kurz nach Einnahme dieses Stoffes, der im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird, waren die schwersten Symptome verschwunden. Doch bald wurden die Nebenwirkungen der Langzeittherapie sichtbar: abnorme, unwillkürliche Bewegungen (Dykinesien), schmerzhafte Krämpfe (Dystonien) und abrupt abwechselnde Bewegungs-Erstarrungs-Phasen durch unkontiniuierliches Wirken des Medikaments. Für eine L-Dopa-freie Therapie in der Frühphase der Erkrankung sprach sich deshalb Dr. Irene Gemende auf einem Regionalsymposium der Firma Lilly in Leipzig aus. Es gebe verschiedene Wirkstoffe, die es ermöglichten, den Beginn der L-Dopa-Therapie hinauszuzögern beziehungsweise die tägliche Levodopa-Menge zu reduzieren. Die Dopaminagonisten (dopaminähnlich), Pergolid zum Beispiel, zeigten bei Neuerkrankten zunächst eine ausreichende Wirkung. „Eine frühe Kombination L-Dopa plus unterstützende Strategien ist erst dann angezeigt, wenn nach mindestens einem halben Jahr der Leidensdruck des Patienten aufgrund des geringen Erfolgs mit nur einem Medikament immer noch hoch ist", so die Leitende Ärztin des Waldkrankenhauses in Bernburg. Als Kriterien nannte Dr. Gemende zudem individuelle Aspekte wie Alter, Schwere der Erkrankungen sowie soziale und berufliche Verpflichtungen des Patienten. „Es gibt aber auch Fälle", schränkte die Fachärztin ein, „bei denen man eine niedrigdosierte L-Dopa-Monotherapie von vornherein ins Auge fassen sollte, zum Beispiel bei älteren, multimorbiden Patienten, wenn so die Therapie weiterer Erkrankungen erleichtert wird." 

Dopaminagonisten wie Pergolid haben nach L-Dopa den stärksten antiparkinsonschen Effekt. Pergolid wirkt zum Beispiel direkt auf die beiden Rezeptoren D1 und D2 ein, die für die motorische Steuerung verantwortlich sind. Zudem wirkt das Mittel bis zu 22 Stunden, während L-Dopa nur eine Wirkdauer von etwa drei Stunden hat. Prof. Dr. Heinz Reichmann, Direktor der Klinik für Neurologie der Uniklinik Dresden, befürwortet die konsequente Steigerung der Tagesdosis auf durchschnittlich drei Milligramm, „denn mehr hilft hier auch mehr, und die Nebenwirkungen sind bei einer geringen Dosierung nicht zwangsläufig geringer“. Die Nebenwirkungen von Dopaminagonisten sind u.a. Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, niedriger Blutdruck und Halluzinationen. „Unsere Erfahrungen haben aber gezeigt, dass mit einer langsamen Eindosierung diese Nebenwirkungen deutlich zu reduzieren sind", so Reichmann. 

Über L-Dopa-Langzeitkomplikationen und deren Verringerung durch eine Therapieumstellung berichtete Dr. Christian Oehlwein, Oberarzt der Abteilung Neurologie am Landesfachkrankenhaus Stadtroda. „Die L-Dopa-Menge kann durch weitere Aufdosierung von Dopaminagonisten drastisch gesenkt werden. Dadurch gelingt es, die Überbewegung zu bessern, die Dyskinesien hören jedoch in der Regel erst mit Absetzen von L-Dopa auf. Erforderlich ist, die Tagesdosis des Dopaminagonisten deutlich über die zugelassene Höchstdosierung hinaus zu steigern – bei Pergolid (Parcotil®) sind das zum Beispiel bis zu 16 Milligramm pro Tag." Mit dieser Therapie wurden in den vergangenen drei Jahren über 50 Patienten erfolgreich behandelt. Die meisten können jetzt wieder ein normales Leben führen. 

Die Stereotaxie, die tiefe Hirnstimulation, ist eine weitere Therapiemöglichkeit bei Morbus Parkinson. Professor Dr. François Alesch schilderte die praktischen Erfahrungen mit diesem Verfahren an der Universitätsklinik für Neurochirurgie in Wien. Während einer rund zehnstündigen Operation werden zwei Elektroden im Gehirn (Stammganglien, Thalamus, Subthalamus) millimetergenau fixiert. Der Patient ist wach und kooperiert mit dem Arzt bei der Austestung des Zielpunktes. Nach einer anschließenden Testphase wird in einer zweiten OP schließlich unter dem Schlüsselbein ein Impulsgenerator implantiert. Der Vorteil im Gegensatz zu früheren operativen Verfahren liegt laut Alesch darin, dass „der Eingriff nicht irreversibel ist. Die Elektrode kann jederzeit verlagert oder entfernt werden, das Gehirn wird nicht verändert. Zudem lässt sich der Impuls jederzeit vom Arzt oder vom Patienten mittels spezieller Programmiergeräte beeinflussen." Der Therapierfolg ist sehr gut, bei 84 Prozent der Patienten konnte der Tremors durch die Stereotaxie unterdrückt, bei weiteren 13 Prozent verringert werden. Ein Therapieversagen war fast immer auf eine falsche Lokalisation der Sonde zurückzuführen. 

Die Bezeichnung Parkinson ist übrigens auf den englischen Arzt James Parkinson zurückzuführen, der 1817 erstmals die Symptome als zusammengehöriges Krankheitsbild erkannte. Er bezeichnete die Krankheit als Schüttellähmung – wie wir heute wissen fälschlicherweise, da es sich um keine wirkliche Lähmung handelt. Und auch vom Schütteln ist nicht jeder Patienten betroffen.  

Copyright: Cornelia Kolbeck 1999Nachdruck nur mit Genehmigung