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Embryonen müssen beerdigt werden

Druck oder Entlastung für Frauen?

MÜNCHEN – Die CSU will in Bayern eine Bestattungspflicht für Embryonen und Feten durchsetzen. Bislang besteht hier nur eine „Beseitigungspflicht“ – Endstation ist in der Regel die Verbrennungsanlage. Müssen Ärzte beim Schwangerschaftsabbruch auch über die Beerdigungspflicht aufklären?

Nach Artikel 6 des bayerischen Bestattungsgesetzes (BestG) sind nur tot geborene oder während der Geburt verstorbene Leibesfrüchte mit einem Gewicht von mehr als 500 Gramm zu bestatten. Embryonen und Feten aus Schwangerschaftsabbrüchen sowie Fehlgeburten unter 500 Gramm Gewicht dagegen müssen lediglich, so wie auch Körper- und Leichenteile, „unverzüglich in schicklicher und gesundheitlich unbedenklicher Weise“ beseitigt werden. Grundlage hierfür ist die Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Für die CSU ist diese Entsorgungspraxis ein der Menschenwürde widersprechendes Verfahren, das geändert werden muss. Und so soll laut dem im Februar im Landtag eingereichten Gesetzentwurf dieses menschliche Material zukünftig von den Angehörigen selbst bestattet oder von „Gewahrsamsinhabern“, das sind vorwiegend die jeweiligen Krankenhäuser und Vertragsärzte, auf einem Gräberfeld „zur Ruhe gebettet“ werden.

Sammelbestattungen mit 32 „Kindern“

Bei 17 000 Fehlgeburten unter 500 Gramm sowie 1100 Embryonen und Feten aus Schwangerschaftsabbrüchen in den bayerischen Krankenhäusern geht die CSU von zwei bis vier Sammelbestattungen pro Einrichtung aus. Gerechnet wird mit 32 „Kindern“ pro Sarg und Kosten von 100 bis maximal 200 Euro pro Sammelbestattung. Berücksichtigt sind hierbei die Ausgaben für Lagerung, Kühlung, Einäscherung, Zurruhebettung und Grabstelle. Hinzu kommen die Kosten für den laut CSU von einem Bestattungsunternehmen durchzuführenden Transport von der Pathologie zum Friedhof.

Frauen sollen die Kosten übernehmen

Die Verpflichtung von niedergelassenen Ärzten als Gewahrsamsinhaber bei den rund 14 000 Schwangerschaftsabbrüchen jährlich sieht die CSU ebenfalls als vertretbar an, denn schon jetzt bestehe eine Beseitigungspflicht. Die Ausgaben für niedergelassene Ärzte setzt sie in gleicher Höhe an wie bei den Kliniken (wobei es möglich ist, mit diesen zu kooperieren). Zwar sollen laut Gesetzentwurf zunächst die Eltern für die Bestattung zahlen. Doch die CSULandtagsabgeordnete Dr. Ingrid Fickler erklärt, dass das wegen vieler Unzumutbarkeiten wohl kaum eintreten wird, so z.B. im Fall eines Aborts im häuslichen Umfeld. Tatsächlich werden also vorwiegend die 195 bayerischen Kliniken mit frauenärztlichen und/oder geburtshilflichen Abteilungen sowie die betroffenen Vertragsärzte die Zurruhebettung finanzieren müssen.

Hinzu kommt die Pflicht zur Beratung. Mediziner protestieren dagegen, vor allem im Hinblick auf Abtreibungen. Dass der Arzt die Schwangere hierbei über ihre Beerdigungspflicht aufklären und letztendlich für die Beerdigung des Embryos bzw. Fötus aufkommen müsse, setze Frauen und Ärzte zusätzlich unter Druck, kritisiert der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Dr. H. Hellmut Koch. Dr. Peter Hausser, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte, bestätigt: „Egal wie man zu Abtreibungen steht: Für die betroffene Frau ist die Frage, ob sie eine Bestattung des Fötus oder Embryos wünscht, abwegig und entwürdigend. Insbesondere wenn eine Vergewaltigung vorausgegangen ist.“ Dennoch werde ein von den Eltern geäußerter Wunsch nach einer Bestattung der toten Leibesfrucht unterstützt, so Dr. Hausser. Wie Dr. Koch plädiert auch er für die Beibehaltung der derzeitigen gesetzlichen Regelungen. kol

 

So bestatten Kliniken

BERLIN – Die Diskussion um die ethisch vertretbare „Entsorgung“ von Embryonen und Feten ist ein bundesweites Thema.

1999 forderte die Deutsche Krankenhausgesellschaft, dass sämtliche Feten nicht mehr als ethischer Abfall gelten, sondern ein würdiges Begräbnis erhalten sollten – und zwar unabhängig davon, ob das die Eltern wollen oder nicht. Ausgangspunkt war eine Empfehlung des Berliner Senats, alle Feten ab vollendeter 12. Schwangerschaftswoche und bis zu 999 Gramm Gewicht einer anonymen Sammelkremierung zuzuführen.

Inzwischen sind zahlreiche Krankenhäuser dieser Empfehlung gefolgt, ebenso Kliniken in Brandenburg. Mehr noch: Die gynäkologischen Abteilungen bieten vielfach Erd- und Urnensammelbestattungen inklusive Trauerfeier an. Die Anonymität fällt hier weg. Zahlen müssen die Hinterbliebenen der zu Grabe getragenen „stillgeborenen Kinder“ hierfür nichts. „Die Eltern sind oft außerordentlich dankbar für diese Gelegenheit, von ihrem Kind Abschied nehmen zu können“, erklärt Gabriele Weiss von der Caritas-Klinik „Maria Heimsuchung“. Es sei sehr anrührend, wie liebevoll selbst nur wenige Wochen alte Fehlgeburten (ggf. in der Kürette, d. Red.) in von Eltern selbst bemalte Tücher gehüllt verabschiedet und bestattet würden. Da die Fehlgeburten offiziell keine Namen tragen, hat ein Friedhof die Grabsteine mit Symbolen (Flugzeug, Stern, Muschel) versehen.

Bestattungsunternehmen nicht beteiligt

Die Caritas-Klinik in Pankow führt übrigens die Bestattungen gemeinsam mit dem Helios-Klinikum in Berlin-Buch durch. Die Kosten pro Sammelbestattung mit durchschnittlich 30 Feten liegen bei rund 45 Euro, der Transport von der Pathologie zum Friedhof kostet nochmals 40 Euro. Es ist kein Bestattungsunternehmen involviert. Eine bundesweite Liste mit Krankenhäusern, die Bestattungen für Fehlgeburten anbieten, hat die Elterninitiative Regenbogen auf ihrer Internetseite veröffentlicht:

Medical Tribune • 40. Jahrgang • Nr. 21 • 27. Ma 2005

 

Copyright: Cornelia KolbeckNachdruck nur mit Genehmigung nach oben Textanfang